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Dr. Mag. Ingeborg Erhart, Kunsthistorikerin, Kuratorin: Einleitung zum Katalog Nora Schöpfer . Malerei . Installationen / 2006
Die Natur ist ein Tempel, wo aus lebendigen Pfeilern zuweilen wirre Worte dringen; der Mensch geht dort durch Wälder von Symbolen, die mit vertrauten Blicken ihn beobachten.
Wie langer Hall und Widerhall, die fern vernommen in die finstere und tiefe Einheit schmelzen, weit wie die Nacht und wie die Helle, antworten die Düfte, Farben und Töne einander.
Entsprechungen, Charles Baudelaire, Die Blumen des Bösen, dtv München 1997, S. 23

Nora Schöpfer geht es in ihrer künstlerischen Arbeit um Verbindungen - Verbindungen von Zufalls- und realen Landschaften, empirisch Beobachtetem und wissenschaftlich Bewiesenem, Mikro- und Makrokosmos, Ratio und Emotion, flüchtigen Bewegungen und der Präsenz des Augenblicks, Fotografie und Malerei, Computergrafik und Handzeichnung, …
Die Künstlerin geht der Natur der Dinge auf ihre eigene Weise nach und entdeckt, dass sich Strukturen überall zeigen. Sonnenlicht, das durch das Laub des Baumes vor ihrem Arbeitsraum auf den Atelierboden fällt sieht ähnlich aus wie DNA unter dem Elektronenmikroskop und die Darstellung einer menschlichen Brustdrüse aus einem medizinischen Fachbuch ähnelt in ihrer formalen Struktur einer Agave. Sie zeichnet in regelmäßigen Zeitabständen den Lichteinfall durch ein Fenster mit Kreide am Boden nach und am Abend bleiben Linien zurück, die wie ein Fächer Raum greifen.
„Linien machen Dimensionen auf “, sagt Nora Schöpfer. So verbindet sie beispielsweise in der Arbeit „free“, 2006, fotografiertes Geäst, das links ins Bild ragt, und expressiv-abstrakte Lackmalerei, die etwas mehr als die rechte Bildhälfte einnimmt, mit einer einzigen dünnen Filzstiftlinie. Welchen Konnex der Baum und die gestische Malerei konkret haben, ist für den Betrachter nicht gewiss. Die Linie aber, die die beiden Bereiche zusammenbringt, sitzt.
Nora Schöpfer sieht den Zusammenhang in der Struktur, die die Natur im Ast hervorbringt und in der zufälligen Schütt- und Rinnspur der Farbe. Für sie ist es eine fraktale Struktur, die sich beiderseits zeigt.
Großformatige Mixed-Media-Arbeiten wie diese und die an asiatische Kalligraphie erinnernden Werke auf Papier der vergangenen Jahre stehen in ihrer (partiellen) Reduziertheit in logischem Zusammenhang mit den „Fadenkörpern“, die die Künstlerin seit 2002 in die Natur, aber auch in Ausstellungsräume spannt. Durch die Linien, also die Fäden, wird hier eine totale Illusion evoziert. Der entstandene Raum ist reine Imagination. Nora Schöpfer macht deutlich, wie stark der Mensch in seiner Wahrnehmung an der Materialität haftet und dass die Vorstellung von Realität ausreicht, einen Raum zu erzeugen.
Nach Analogien zu suchen, Verbindungen aufzuspüren und vernetzt zu denken sind die Grundlagen für die Art und Weise der künstlerischen Visualisierungen von Nora Schöpfer. Diese Vielschichtigkeit der Auseinandersetzung führt auch dazu, dass es – obwohl Malerei und Installation im Vordergrund stehen - keine Festlegung auf ein Medium gibt.
Der rote Faden, der sich unverkennbar durch das Œuvre der Künstlerin zieht, ist „Landschaft“ im allerweitesten Sinn des Wortes. Nora Schöpfer lässt die Rezipienten ihrer Arbeit an dem dynamischen Dialogprozess, den sie mit den Gegebenheiten der Natur führt, teilhaben und überrascht mit immer neuen Beobachtungen und künstlerischen Erkenntnissen.
Ingeborg Erhart
• Eine Landschaft ist ökologisch gesehen ein geografisches Gebiet, welches sich durch gemeinsame Merkmale von anderen Gebieten abgrenzt. Die Landschaft als Ausschnitt der Erdoberfläche ist die Grundlage menschlicher Existenz, wird jeweils individuell wahrgenommen und befindet sich in einer ständigen Dynamik. Man unterscheidet zwischen natürlichen und vom Menschen geprägten Landschaften. Psychologisch gesehen ist die Landschaft der sinnliche Gesamteindruck und wird mit Umwelt gleichgesetzt. Kulturell zusammenhängende Landschaften nennt man Regionen.(…) http://de.wikipedia.org/wiki/Landschaft
Text:  Dr. Mag. Ingeborg Erhart, Kunsthistorikerin